Feb 122010
 

Seit Wochen wirbt nun schon die Wiener SP für ihre „Volksbefragung“. Die Meinungen darüber, wie die Landesregierung mit diesem direkt-demokratischen Instrument gehen dabei in der öffentlichen Diskussion weit auseinander.

In seinem Blog-Beitrag „Hingehen? Gibt’s Alternativen?“ „auf wienwillswissen.at begründet Michael Eisenriegler, bekannter Neue-Medien- Unternehmer und SP- Mitglied, warum er es für wichtig hält, an der Volksabstimmung teilzunehmen.

Da ist von Demokratie die Rede, die sich nicht darauf beschränken solle, alle 5 Jahre ein Kreuzerl zu machen und von der Wichtigkeit der  Instrumente der Volksbefragung und der Volksabstimmung.

Grundsätzlich bin ich ebenfalls der Meinung, dass Demokratie mehr sein kann, nein sein MUSS, als alle paar Jahre wählen zu gehen. Aber ob fünf Kreuzerl so viel mehr Beteiligung an der Demokratie bedeuten als eines, wage ich dann doch eher zu bezweifeln. ECHTE Beteiligung heißt für mich vielmehr, sichan NGOs zu beteiligen, sich in Parteien organisieren, seine Meinung zu einem Thema öffentlich zu machen und mit seiner Umwelt zu diskutieren.

Aus meiner Sicht gibt es außerdem gute Gründe, warum das Mittel der Volksbefragung bzw. -abstimmung nur sparsam eingesetzt werden sollte. Einerseits ist das die Tatsache, dass es sehr manipulativ eingesetzt werden kann. Das beste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist dabei das Ergebnis der Volksabstimmung über das Minarett- Verbot in der Schweiz – das war Populismus im schlechtesten Sinne, denn die Menschen stimmten in Wahrheit über alles Mögliche ab, Minarette zählten dabei aber wohl zu den weniger triftigen Gründen für das „Ja“.

Zweiter Punkt: eine Volksabstimmung ist kein Ersatz für mutige Politik. Das sei am Beispiel des Volksbefragungs- Punktes „Citymaut“ erklärt: mangels Wissen über die konkrete Ausformung einer Citymaut, und aufgrund der Tatsache, dass man grundsätzlich eher ablehnt, was man nicht kennt wird die Frage mit ziemlicher Sicherheit mehrheitlich mit „Nein“ beantwortet werden. In London hat man die Citymaut eingeführt – und zwar OHNE vorherige Abstimmung. Laut Umfragen war zu Beginn die Mehrheit der Bevölkerung dort auch GEGEN die Maut. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und es gibt große Zustimmung für die Maßnahme – man hat sich daran gewöhnt und schätzen gelernt.

In Wirklichkeit könnte man also eine Volksabstimmung auch als Entscheidungsfähigkeit der poltischen Kräfte bewerten – nach dem Motto: „Ich traue mich nicht, also frag ich lieber das Volk“.

Zurück zur Wiener Volksabstimmung. Die ist leider offensichtlich ein Wahlkampfgag der SPÖ, denn anders ist nicht zu erklären, warum gerade DIESE fünf Fragen ausgewählt wurden, und warum sie teilweise so manipulativ gestellt werden. So ist zum Zusatztext am Stimmzettel(!) zu lesen „In Wien konnte durch die Verkehrspolitik […] in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden.“ – also nach dem Motto: „in Wien geht der Autoverkehr zurück – und wollen sie IMMER NOCH eine Citymaut? Naaaa?“.

Die Frage ist, ob diese SPÖ- Strategie, statt für mehr Demokratie zu sorgen, nicht sogar eher die direkt- demokratischen Instrumente beschädigt und diskreditiert. Jedenfalls sieht alles stark nach einem zu offensichtlichen PR- Schlager im Wahljahr aus.

Trotz allem habe auch ich von meinem Wahlrecht Gebrauch gemacht – und nicht so gestimmt, wie es die SPÖ sich vielleicht wünscht. Leider hege ich Zweifel daran, dass das mehr Leute tun werden – unter anderem auch deshalb, weil sie aus Protest gegen die manipulative Befragung dieser fernbleiben werden.

Feb 032010
 

Am 4. Februar 2010 jährt sich die Angelobung der ersten Schwarz-Blauen Regierung zum  zehnten Mal.  Selbstverständlich war und ist das Anlass für Menschen aus unterschiedlichen Lagern zurück zu schauen un „Bilanz“ zu ziehen, wie sich dieses Land seither verändert hat, beziehungsweise was Schwarzblau bewirkt hat.

Dass der ehemalige „Schweigekanzler“ Wolfgang Schüssel im Interview mit der Kleinen Zeitung die Zeit positiv sieht, verwundert dabei wenig.

Als ehemaliger „Donertagsdemonstrant“ finde es jedenfalls interessant, nach zehn Jahren zurückzuschauen und die Frage zu stellen: was konnten unsere Proteste damals bewirken, und: wie hat sich dieses Land seit 2000 verändert?
War es unser größter Verdienst, wie Michael Frank, Korrsepondent der Süddeutschen meint, die „Ehre Österreichs im Ausland gerettet“ zu haben? Für mich wäre das höchstens als kleiner Nebeneffekt zu sehen, aber es war sicher nie oberstes Ziel.

Oberstes Ziel war damals jedenfalls immer, die Regierung zu stürzen und durch Neuwahlen andere politische Verhältnisse zu bekommen. Umso mehr war dann das Wahlergebnis 2002 für die meisten in der Bewegung ein Schock: da wurde Schlüssels Politik der verbrannten Erde von Wähler scheinbar sogar noch belohnt. Das war einfach unbegreifbar – und ist es für mich bis heute noch.

Was hat sich seit der Erstauflage der ÖVP- Koalation mit der rechtsextremen Chaostruppe in Österreich verändert?

Allen voran muss ich sagen: mit dem Tabubruch hat sich das (Rechts-)Populismus- Virus, ursprünglich von der FPÖ in den 1990er in die Bundespolitik gebracht, rasant verbreitet. Als erstes hat er die Volkspartei befallen. Im Kabinett Schüssel I begann man erstmals auf breiter Basis,  die Rezepte der Haider-FPÖ, nämlich Feindbilder zu erzeugen, um von unaugewogenen „Reformen“ abzulenken zum Regierungsstil zu erheben.  So wurden abwechseln verschiedene Bevölkerungsgruppen herausgegriffen und quasi als „Schädlinge“ der Gesamtgesellschaft dargestellt: egal ob Studierende, Beamte, HausmeiserInnen, Arbeitslose oder MigrantInnen.

Auch die SPÖ blieb vom Virus nicht lange verschont, abseits von polternder Oppositionsrethorik, die eigentlich nie wirklich echt klang (wer erinnert sich noch an das „Kabinett des Lichts“ von Gusenbauer?) stimmte sie etwa in das rechts-konservative Gejohle vom schmarotzenden „Asylanten“ ein und votierte ohne Not 2005 im Parlament für das schwarzblaue Fremdengesetz.

Der Virus ist bis heute in der Politik geblieben und gedeiht dort munter weiter. Jede schwarze Innenministerin scheint ihre Vorgängerin durch noch härte Fremden-, und Asylgesetze übertrumpfen zu wollen, um die Stammtische und „Krone“ – Leser zu befriedigen. Die rechte Opposition, wechselweise blau oder orange, schreit dann einfach reflexartig „Härter!“ und die Minserialbeamten tüfteln insgeheim schon wieder an der nächsten Verschärfung.

Die SPÖ schreibt derweil unterwürfige Briefe an den Boulevard, oder, siehe derzeit das Thema Eberau im Burgenland – übt sich selbst in billiger Hetze. Auf der anderen Seite macht sie grosse Verprechungen, die sie dann schnell wieder fallen lässt – mit dem Verweis auf die Tatsache, dass es mit dem (derzeitigen) Koalitionspartner leider nicht gehe.

Von Schüssels angeblicher Zähmung des dritten Lagers ist derweil wenig übrig geblieben – ich meine allerdings: eine solche hat nie stattgefunden. Die „Weichspüler“ in der Partei hat die FPÖ an eine orange Splittergruppe abgegeben und wächst seither wieder munter weiter.  Wer geglaubt hatte, dass die Freiheitlichen nicht weiter nach rechts rutschen würden, hat sich dabei getäuscht: heute lenken Burschenschafter und andere Strammrechte die Geschicke der Partei. Bald könnten sie wieder so groß werden wie zu Haiders „besten“ Zeiten. Apropos Haider: dem Hetzer weine ich keine Träne nach, nur hat sich wieder mal bewahrheitet: Es kommt nix besseres nach – siehe den Ex-Paintballer HC Strache.

Es freut mich zwar, dass das gerade eben zur FPÖ heimgekehrte ehemaliger Kärntner BZÖ – jetzt FPK – derzeit dank Hypo ganz schön in der Scheiße sitzt, allein mir fehlt ein wenig die Hoffnung, dass der Wähler – oder gar die Poltik – diese Gestalten absetzen wird. Einstweilen träumt der Ex- Bankbeamte Dörfler jedenfalls lieber von einer schwarzblauen Neuauflage anstatt sich mit den massiven Problemen seines Bundeslandes auseinandersetzen zu wollen.

Dank Schüssels Machtrausch anno 2000 ist das Land jedenfalls heute insgesamt nach Rechts gerutscht – vielleicht mit Ausnahme der Grünen, die aber gegen das populistische Geschrei der anderen, nur schwer ankommen.

Wie Österreich aus dem Schlamassel wieder rauskommen könnte, darauf habe ich leider auch keine Antwort.

In diesem Sinne: Danke, Wolfgang!