Jun 132012
 

Angesichts des Abwehrkampfes der Autofahrerparteien ÖVP und FPÖ gegen sinnvolle verkehrspolitische Maßnahmen wie die Ausweitung der Parkpickerlzonen darf man sich einerseits die Frage stellen wie weit sich die ÖVP unter Manfred „Strache für Arme“ Juraczka noch nach rechts rutschen wird. Aus meiner Sicht wird diese Strategie, zur österreichischen „Tea Party“ werden zu wollen aber nicht aufgehen. Andererseits muss man einmal mehr betonen, dass die vergangen 30 – 40 Jahre unter „Verkehrspolitik“ fast immer „KFZ- Verkehrspolitik“ verstanden wurde.

Daher ist die Forderung der ÖVP nach „augewogener Verkehrspolitik“, die die Regierungsparteien in Wien angeblich nicht machen würden irreführend: nachdem das Pendel in der Vergangenheit zugunsten der Autos ausschlug, muss es nun, um wirklich eines (fernen) Tages „fair“ zu sein zugunsten von Fußgängern und Radfahrer ausschlagen.

Eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass auch RadfahrerInnen eine potentielle, und außerdem stetig wachsende Gruppe potentielle WählerInnen ist, ist einmal im Monat die Critical Mass : Eine Gruppe unorganisierter Menschen trifft sich (unter anderem) in Wien  jeden dritten Freitag um 16 Uhr 30 im Monat am Schwarzenbergplatz  um gemeinsam friedlich, bunt mit Musik und ohne vorgegebene Route durch die Stadt zu radeln. In den letzten Monaten waren immer wieder weit über 1500 RadlerInnen mit dabei!

Wie jeden Juni steht auch am kommenden Freitag, den 15.6. die CM unter dem Titel „Naked Bike Ride„: wer mag fährt (fast) nackt, bemalt, besonders gekleidet und hat Spass – und laut Prognose dies sogar bei bestem Wetter!

Also: kommt alle mit, habt Spass und zeigt nebenbei: wir sind viele und wir werden immer mehr!

Freitag, den 15. Juni ab 16:30 Uhr
vom  Schwarzenbergplatz (Hochstrahlbrunnen)

Jun 042012
 

Hat sich die Öffentlichkeit vor einigen Wochen noch mit neuen politischen Parteien wie den „Piraten“ beschäftigt, so wird neuerdings das Thema „Direkte Demokratie“ verstärkt diskutiert. Aktuell hat sich besonders die ÖVP dieses Thema auf die Fahnen geschrieben, vermutlich in der Hoffnung,  damit aus dem bereits lange anhaltenden Umfragetief zu kommen.  Die Junge Volkspartei hat dazu unter dem Vorsitz von Sebastian Kurz ein Paket namens Demokratie.Neu erarbeitet. Auch wenn ich mit der JVP, wie mit ihrer Mutterpartei, wenig bis gar nichts anfangen kann, so muss ich anerkennen, dass darin einige gute Ansätze zu finden sind. Die „parlamentarische Bürgeranfrage“ wäre ein wichtiger Schritt um Politik(er)verdrossenheit zu begegnen, und ein eigenständiges Schulfach für „politische Bildung und Staatskunde“ das aus jeder Menge „Stimmvieh“ endlich mehr politisch mündige Bürger produzieren helfen könnte, hab ich mir schon vor 20 Jahren gewünscht.

Weniger begeistert mich da schon die Idee der Steuergeldzweckwidmung – klar, dass da ein großer Teil der Bevölkerung nur an sich selber denken würde – aber wäre es nicht Aufgabe kluger PolitikerInnen, Geld klug und gerecht zu investieren (auch wenn das natürlich derzeit oft nicht der Fall ist) ?

Unter der Überschrift „Direkte Demokratie“ verbirgt sich dann im Konzept der viel diskutierte „Volksbefragungsautomatismus“: nach Vorstellung der JVP, und etwas ähnliches fordert die FPÖ sicher schon länger, soll, wenn ein Volksbegehren von mehr als 10% der Wahlberechtigten unterstützt wird, eine  verpflichtende Volksabstimmung stattfinden, die, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten daran teilgenommen hat und die Mehrheit für das Anliegen stimmt, als verbindlich anzusehen ist.

ÖVP-Chef Spindelegger zeigt nun plötzlich für ihn ungewohnten Eifer und will über das schwarze Demokratiepaket noch vor der nächsten Wahl abstimmen lassen. Dabei ist die geplante Maßnahme nicht unbedingt für einen Schuss aus der Hüfte geeignet. Denn über den geplanten Automatismus sollte man vorher diskutieren, und ihn dann gegebenenfalls in Verfassungsreformpaket, wie es der leider gescheiterte Österreich- Konvent einbetten.

Ich halte den „Abstimmungsautomatismus“, so wie jetzt vorgesehen, jedenfalls für problematisch. So sieht das Konzept vor, dass jede Materie vor einer Volksabstimmung dahin geprüft werden sollte, ob sie verfassungskonform sei. Das beugt einerseits populistischen Volksbegehren Marke FPÖ a la „Österreich Zuerst“ vor, und das ist gut so. Aber was ist etwa mit Abstimmungen, die völkerrechtlichen Verpflichtungen widersprechen würden, aber nicht eindeutig „gegen die Verfassung“ gerichtet sind? Ein Beispiel liefert Spindelegger gleich mit: er will die „Schuldenbremse“ noch schnell zuvor in der Verfassung verankern, damit das Volk später nicht mehr dagegen stimmen darf.

Überhaupt sehe ich Volksabstimmungen mit ein wenig Skepsis. In meiner Idealvorstellung sollte eine Partei eine Vision davon haben, wie das Land und seine Gesellschaft idealerweise aussehen sollte, und sie sollte einen Plan haben, wie man dieses Ziel erreichen könnte. Dabei kann es durchaus passieren, dass man Maßnahmen treffen muss, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, weil sie unbeliebt oder schmerzhaft sind, aber mittel-, oder langfristig doch gut für den Großteil eben jener Bevölkerung sind.

Als Beispiel möchte ich die Citymaut in London heranziehen: diese wurde anfangs von der dortigen Bevölkerung abgelehnt, hat aber ihren Zweck erfüllt: die Verkehrsbelastung ist gesunken, und im Jahr 2003 haben die Londoner sogar einer Erhöhung zugestimmt. Derzeit laufen in Wien gerade FPÖ und ÖVP gerade Sturm gegen die von der rot-grünen Stadtregierung geplante Erweiterung der Parkpickerl – Zonen – und versuchen dagegen ein Volksbegehren zu initiieren. Was für autofahrende BewohnerInnen der betreffenden Bezirke zunächst schmerzhaft erscheint, könnte sich in einiger Zeit als richtige Maßnahme erweisen.

Volksbegehren können nur schwer einen solch „größeren Zusammenhang“ berücksichtigen, und können nur Momentaufnahmen berücksichtigen.

Nun ist auch mir bewusst, dass derzeit keine Partei an der Macht ist, der man zutrauen würde, eine „Vision“ für Österreich oder Europa zu haben oder zumindest in der Lage ist, diesen durchzusetzen. PolitikerInnen denken leider fast ausnahmslos nur mehr bis zur nächsten Wahl, da scheint der Abstimmungsautomatismus ein Ausweg aus der Krise zu sein. Doch ist er nicht vielleicht nicht doch nur eine Notlösung, weil wir die Hoffnung langsam aufgeben, dass weitsichtigere und verantwortungsvollere PolitikerInnen am Horizont erscheinen?

Wäre es nicht sinnvoller, einerseits die Hürden für neue Parteien zu senken, bestehende Parteien zu öffnen und etwa soziale Bewegungen, NGOs und Initiativen aktiver in die Politik einzubinden und diese ernster zu nehmen als bisher?

Über automatische Volksabstimmungen soll und muss diskutiert werden, aber in keinem Fall als alleinige oder wichtigste Maßnahme, sondern im Zusammenhang mit einer umfassenderen Reform des politischen Systems in Österreich.