Nov. 092012
 

Logoff- Nachricht am letzten Tag der Firstclass- Blackbox 20 Jahre. Für ein Menschenleben ist das eine verhältnismäßig kurze Zeit, in der Computerbranche aber eine halbe Ewigkeit. So alt wird die Online- Community „Blackbox“ am Samstag, den 10. November 2012. Im Jahr 1992 ging diese älteste, bis heute existierende Onlineplattform Österreichs „auf Sendung“. Nunmehr hat sich der Betreiberverein Blackbox Systems, dem ich auch viele Jahre angehören durfte, dazu entschlossen, den Betrieb mit Ende Jänner einzustellen.

Ein Schritt, der angesichts eher bescheidener Nutzung durch die User konsequent ist, dennoch sehe ich das Ende auch mit ein bisschen Wehmut. Denn die Blackbox hat mich hat mich mein halbes Leben begleitet, war für mich lange Zeit sogar wichtigstes Kommunikationsmittel.

Ich bin zwar noch von Anfang an, aber ab dem Jahr 1996 dabei gewesen. Damals, mit 19, befand ich mich in einer schwierigen Lebensphase. Freunde und Bekannte hatte ich nur eine Handvoll, die Entscheidung was ich mit meinem Leben anfangen wollte war noch nicht getroffen. Mit dem Einstieg in die Blackbox änderte sich mein Leben grundlegend. In der damaligen Zeit galten „Computerfreaks“meist noch als arme Würstchen, die mangels Freunde eben ihre Zeit vor dem Schirm verbrachten, um Spiele zu spielen oder zu programmieren. Stieg man in die „Blackbox“ ein, war das radikal anders: dort trat man rasch mit anderen über Diskussionsforen und den Chat – Smalltalk genannt – in Kontakt mit unzähligen anderen UserInnen. Und die kamen zum Glück nicht nur aus der „Nerdecke“ sondern aus vielen anderen Bereichen – etwa aus Politik, Journalismus etc.

Die Themenpalette war dabei kaum endenwollend. Im berühmten „Anarchy“ – Bereich, in dem jede/r User/in seine eigenen Foren anlegen durfte, war von Kunst, Politik bis zu Sience Fiction oder Nonsense so ziemlich alles zu finden. Ich erinnere mich da Beispielsweise an das von mir gegründete Forum „We hate FPÖ“ zurück, das jahrelang stark frequentiert war und in dem die rechtspopulistische Partei – wie der Name wohl vermuten lässt – Thema war. Und ja: es kam hin und wieder vor, dass auch Menschen mit gegenteiliger Meinung mit diskutierten, und das zumeist auf einem Niveau, das weit über dem eines heutigen „derStandard“ – Forum – Kommentars angesiedelt war. Trolle waren auf auf der Blackbox eher seltenes, bestauntes Kuriosum denn die Regel.

"Anwesenheitsliste" meines ersten UserInnentreffensDer für mich aber vielleicht spannendste Aspekt der Blackbox waren aber damals wohl die „UserInnentreffen“. Einige UserInnen fassten dabei zumeist online den Entschluss, sich in einem Lokal zu treffen, veröffentlichten Zeit und Ort auf der Blackbox. Zum entsprechenden Termin war man zumeist gespannt, wer denn tatsächlich dort aufkreuzen würde. Zu „meinem“ ersten UserInnentreffen  im „Billy’s Bones“ im 9. Bezirk kamen über 40 Leute, mit denen ich zuvor nur gechattet hatte. Und an diesem, wie an vielen anderen Abenden war es immer wieder spannend zu sehen, wie jemand, den man sich zuvor nur hatte vorstellen können, in Wirklichkeit war.

Auf diese Weise habe ich in den besten Zeiten der Blackbox viele nette, interessante, manchmal auch verrückte Leute kennengelernt. Meine erste langjährige Beziehung kam durch die Blackbox zustande. Auch einige Freundschaften und viele gute Bekanntschaften, habe ich der Blackbox zu verdanken.

Was wir heute „social network“ nennen, und was Facebook & Co als absolute Innovation der letzten 5 -7 Jahre verkauft haben war die Blackbox schon vor 20 Jahren: ein Ort, über den Menschen einfach miteinander kommunizieren und diskutieren können.

Mit der zunehmenden Popularität des WWW im Lauf der Jahre nahm auch die Bedeutung der Blackbox als Community in Österreich stetig ab: jeder hatte damit leicht die Möglichkeit, seine eigene Website und damit auch sein eigenes Gästebuch oder sein eigenes Diskussionsforum zu gründen. Statt Blackbox hieß es dann immer öfter: Diskussion im derStandard- Forum oder Chat von ö3.

Was aber dabei verloren ging war ein „Bazar“, auf dem sich Leute mit unterschiedlichen Interessen treffen und austauschen  konnten: stattdessen waren dann wieder Computerfreaks, Politik- Interessierte oder Wortkünstler auf ihren diversen „Single issue“- Websites unter sich. Und mit der Fülle an Foren, in denen anonym gepostet wurde, sank auch das Niveau der Diskussionen.

Die heutige Popularität von Facebook, Google+, Twitter & Co zeigt, wie sehr ein Gravitationszentrum a la Blackbox in der Vergangenheit auch heute noch gebraucht wird. Amüsant finde ich auch, dass sich das zwischenzeitlich fast schon verteufelte „Real Name“ -Prinzip, wie es die Blackbox seinerzeit verwendete, auch heute wieder durchsetzt.

Die Ära der Blackbox als Wegbereiterin des Internet in Österreich geht jedenfalls dieses Jahr zu Ende, die vielen Freund-, und Bekanntschaften zwischen ihren (ehemaligen) UserInnen aber werden weiter Bestand haben – ob anderswo im Netz oder natürlich auf „in real life“. Bleibt mir nur noch, all jenen zu Danken, die die Blackbox in den letzten 20 Jahren gegründet, betrieben und betreut haben! Danke!

[Update 11.11.2012] Die Abschiedsparty am 10.11. ist vorüber – erste Fotos sind hier zu bestaunen