Feb. 102011
 

Es gibt einige Themen in Österreich, bei denen man offensichtlich die Öffentlichkeit des Landes behandelt muss, als wäre sie ein schwer traumatisierter Patient in psychologischer Behandlung. Eines dieser Themen ist die „Neutralität“. Gut Erinnerung ist da noch die Empörung, die der ehemalige Bundeskanzler Schüssel mit seinem Vergleich von Mozartkugel und der Neutralität auslöste. Aktuell hat sich jetzt der SPÖ-  EU-Abgeordnete Swoboda mit einer unbedachten Aussage zur NATO in die Nesseln gesetzt. Sinngemäß meinte er da, dass er sich einen NATO- Beitritt Österreichs in einigen Jahren vorstellen könne. Das rief natürlich selbtsverständlich die Neutralitätshüter anderer Parteien auf den Plan: so sieht FP- Strache die aktuelle Wehrdienstdebatte unter dem Gesichtspunkt, dass Heer „NATO- fit“ zu machen, und Peter Pilz von den Grünen will, dass sich „Die Grünen […] für eine moderne europäische Interpretation der Neutralität einsetzen“.

Dabei gehen aus meiner Sicht beide von einer falschen Annahme aus, nämlich: die Neutralität würde noch existieren. Rein rechtlich und formal stimmt das, aber realpolitisch stimmt das schon lange nicht mehr. Wenn man es ehrlich zugibt, dann ist dieses Land spätestens mit dem EU- Betritt nicht mehr neutral. Und das halte ich keineswegs für eine schlimme Sache, denn die Neutralität war zu Beginn der zweiten Republik einfach Bedingung für deren Unabhängigkeit, und hatte wohl auch im Zeitalter des Kalten Krieges, inmitten zweier Gesellschaftssysteme seine Berechtigung.

Heute sind wir inmitten „befreundeter Staaten“, außerdem gibt es spätestens seit dem Abgang von Kreisky keine aktive Neutralitätspolitik mehr, und anderes als die Schweiz sind wir – was ich gut finde – auch nicht bereit – Unmengen an Geld in die Rüstung zu stecken, was eigentlich Vorraussetzung für ein „wirklich“ neutrales Land sein müsste. Stattdessen baut die österreichische Poltik wohl auf „Hilfe von außen“ im Krisenfall. So gesehen hatte rückblickend Schüssel irgendwie dorch recht: die Neutralität ist Teil der österreichischen Folklore geworden, wie Maibäume und Almauftriebe oder Silvester mit der Pummerin. Mit Leben gefüllt ist die Hülle „Neutralität“ schon lange nicht mehr.

Zeit, seine Rolle in der Welt neu zu definieren – im Gegensatz zu Swoboda bin ich aber nicht der Meinung, dass ein NATO- Beitritt eine Option ist, denn das Bündnis hat schon seit Jahren genauso seine Daseinsberechtigung verloren wie die österreichische Neutralität und sollte besser heute als morgen abgeschafft werden.

Jan. 042011
 

Insbesondere konservative Politiker berufen sich ja sehr gerne auf „europäische Werte“, beispielsweise dann, wenn es darum geht, Ihnen nicht genehme Länder aus der EU draußen zu halten.  Bis vor Kurzem war noch nicht einmal halbwegs klar, was  „europäische Werte“ denn eigentlich genau sind – mittlerweile gibt es wenigstens Versuche, diese wissenschaftlich zu definieren. Als kleinsten gemeinsamen Nenner könnte man von der Europäischen Grundrechtecharta bzw. der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgehen, die erstmals im Vertrag von Lissabon verankert wurde. Die aktuelle Diskussion um das neue ungarische Mediengesetz verdeutlicht allerdings, wie es derzeit um die Durchsetzung dieser Rechte bestellt ist.  Unter anderem sieht dieses Gesetz Strafen von 700.000 Euro mehr für „Schädigungen von öffentlichen Interessen“ vor, ohne selbige genauer zu definieren. Das ist nicht nur meiner Meinung nach ein schwerer Eingriff in Demokratie und Pressefreiheit. Die Reaktionen der anderen Mitgliedsstaaten und der EU ist bisher ziemlich zahnlos – viel mehr als Sorge und Kritik war bisher nicht zu hören, und dass, nachdem das Gesetz bereits im August beschlossen worden war. Dabei wäre es an der EU- Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten – dieses lässt aber nach wie vor auf sich warten. Selbstverständlich ist Ungarn nicht das einzige Land, das in Bezug auf die menschenrechtliche Situation unter die Lupe genommen werden müsste – als Stichwort wären hier beispielsweise die Medien in Italien zu nennen. So lange nicht einmal INNERHALB der EU überall die Menschenrechte zufriedenstellend durchgesetzt sind, ist die Kritik an anderen außereuropäischen Ländern nur mäßig glaubwürdig.

Dez. 292010
 

Kurz vor Jahreswechsel meldete sich Orangen- Frontman Seppi Bucher mit einer kongenialen Idee zu Wort: er fordert die Schaffung einer zweiten Eurozone. Ich frage mich: warum nicht gleich Nägel mit Köpfen, und 16 Euro- Zonen, nämlich jedem Land seinen eigenen Euro, dann könnte Österreich auch gleich wieder seine heiß geliebte Bertha von Suttner auf die Scheine drucken…

Aber genug der zynischen Worte, der Vorschlag des BZÖ, das spätestens nach den nächsten Nationalratswahlen nur mehr eine Fußnote der Geschichte sein wird, ist selbstverständlich nicht ernst zu nehmen. Denn woran der Euro, den ich grundsätzlich für eine gute Idee gehalten habe und nach wie vor halte, wirklich krankt, ist, dass er eine halbe Sache ist.  Hat irgendein europäischer Politiker jemals wirklich angenommen, dass eine Währungsunion ohne echte gemeinsame Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik funktionieren kann? Dieser Irrglaube kann eigentlich, im Nachhinein gesehen, nur auf dem Mist derjenigen gewachsen sein, die dem reinen Glauben der Allmacht der Märkte anhängen. Meiner Meinung nach hat gerade die Tatsache, dass sich in der Eurozone – wie in der gesamten EU – die einzelnen Ländern mit unterschiedlichen Wirtschafts-, Steuer-, und Sozialsystemen untereinander Konkurrenz  machen, die aktuellen Europrobleme wenn nicht gar verursacht dann zumindest extrem verschärft.

Eine Exit- Strategie aus den aktuellen Problemen kann nun aber nicht darin liegen, die Währungsunion schleichend wieder abzuschaffen, sondern im Gegenteil endlich eine echte politische Integration anzugehen. An vorderster Stelle muss dabei die Solidarität der Menschen untereinander stehen.

Nov. 012010
 

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber innerhalb der letzten Monate habe ich auch im – nennen wir es einmal „progressiven Spektrum“ der Politik immer öfter das Gefühl, dass man immer öfter den einfachen, absoluten Wahrheiten anhängt.

Beispiel 1: die Islamismus / Kopftuch – Debatte. Innerhalb der Linken scheint es da im Wesentlichen nur zwei gegensätzliche extreme Positionen zu geben. Die einen sagen: wer gegen das Kopftuch ist, ist ein Rassist, der seine Fremdenfeindlichkeit hinter Feminismus versteckt. Das führt dann oft dazu, dass sich Linke mit an sich konservativ-religiösen Kräften zusammentun, was ich schon für etwas befremdlich halte: man stelle sich vor: ein linker österreichischer Politiker tut sich mit einem christlich- Konservativen wie Bischof Laun zusammen.

Die andere Seite sind (ehemals?) Linke, die jedes Kopftuch als politisches Statement sehen, es als „Kampftuch“ bezeichnen und dabei schon einmal gerne die FPÖ- Diktionen übernehmen, wenn es um den „Kampf gegen den Islam“ geht – eigenartigerweise kämpfen sie weit weniger engagiert gegen das politische Christentum. Da stellt sich dann doch die Frage: ist Ihre Islamismus- Kritik wirklich etwas anderes als  Ausländerfeindlichkeit unter einem neuen Namen?

Zweites Thema, dass mir viel zu schwarz/weiss gemalt wird ist das das Thema Israel / Palästina.  In den Augen vieler Linker kann man hier offenbar nur entweder auf der einen oder auf der anderen Seite stehen.  Wahlweise heißt es: bist Du pro Israel, musst Du bedingungslos zu jeder Regierung, sei sie auch noch so rechts, stehen, um sie gegen die bösen Palästinenser zu verteidigen. Kritisierst Du andersherum den Staat Israel, bist Du automatisch sofort Antisemit – es sein Denn, Du schreibst politisch korrekt „ich kritisiere diese israelische Regierung“. Warum eigentlich kann ich den Staat Israel nicht genauso kritisieren wie ich den Staat Österreich kritisiere?

Was sich an beiden Beispielen zeigt: die Fähigkeit, der Komplexität bestimmter Sachverhalte und Dinge dadurch Rechnung zu tragen, dass man über sie differenziert diskutiert, schien manchen etwas abhanden gekommen zu sein. An die Stelle tritt leider all zu oft ein Denken Marke „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“. Das ein Kopftuch zwar sicher einerseits als politisches Zeichen verstanden werden kann, es aber auf der anderen Seite einfach nur aus Tradition getragen wird, wollen diese Menschen dann nicht wahr haben – genauso wenig wie die Tatsache dass es „den“ Islam nicht gibt. Oder das man „den“  Islam kritiseren kann, ohne gleich rechts zu sein.

Und dass man sich im Nahostkonflikt weder auf die eine noch auf die andere Seite stellen will, weil sich beide in selbigen schon viel zu Schulden haben kommen lassen, und weil er dieser Konflikt so verworren ist, dass ihn nur wenige durchblicken, das wollen andere eben so wenig hören.

Wenn ich mir etwas wünsche darf, dann dies: weg von einfachen Erklärungsmustern, weg und von schwarz oder weiß, die eine, oder die andere Seite. Lasst uns weier angeregt, aber differenziert(er) diskutieren!

Okt. 202010
 

Erinnert sich noch jemand? Spätestens nach dem Ergebnis der Nationalratswahlen 2002 wurde der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel als großer „Entzauberer“ von Jörg Haider und dessen FPÖ gefeiert . Die Rechtspopulisten sackten bei dieser vorgezogenen Wahl nach dem Aufstand von Knittelfeld um fast 17% ab und bescherten der ÖVP ungeahnte Gewinne.

Schlüssel wurde damals, von Teilen der Volkspartei und machen politischen Kommentatoren als genialer Stratege gefeiert. Wie viel von diesem angeblichen „Zauber“ übrig ist, hat man an den letzten Wahlen – allen voran natürlich die Gemeinderatswahl in Wien – gesehen:  die Strache- FPÖ ist – mit den selben Strategien, den selben Sprüchen und vor Allem: den selben Themen wie damals – mittlerweile mit einem Stimmenanteil von 25,77% fast dort, wo Jörg Haider in seinen besten Zeiten war.

Deshalb wundert mich jetzt die Forderung mancher, man solle die FPÖ in Wien dadurch „entzaubern“, dass man sie in eine rotblaue Regierung holt, schon einigermaßen. Mag sein, dass man die Recken aus dem dritten Lager dadurch kurzfristig marginalisieren würde, vielleicht käme es im Zuge dessen auch zu einer neuen Abspaltung. Aber der nächste Schönling wartet schon darauf, die Partei danach „gegen die da oben“ zu positionieren und die Wählerstimmen zu maximieren.

Meiner Meinung nach sind HC und seine Mannen zu einem guten Teil nur deshalb so stark, weil die übrigen (ehemals) großen Volksparteien seit Jahren so schwach sind. Sie reagieren viel zu oft, und agieren viel zu selten, sie lassen sich die Themen von außen (z.B. von den Wirtschaftslobbies) und von der FPÖ vorgeben. Das Scheitern der ÖVP mit ihrem Wahlkampf bei den vergangenen Wahlen hat gezeigt, dass auch die Rechnung, mit dem Versuch, die FPÖ rechts zu überholen Stimmen zu holen, nicht aufgeht: wer eine solche Politik will, geht im Zweifelsfall halt doch zum Schmied und nicht zum Schmiedl.

Aus meiner Sicht gibt es nur eine wirklich erfolgversprechende, nachhaltige Strategie, die FPÖ zu „entzaubern“: nämlich dadurch, dass die etablierten Parteien endlich wieder aktive, konsequente und gestaltende Politik, die auf echten Überzeugungen und Visionen basiert, betreiben.