Nov. 232017
 

Türkisblau wird sich wenig von Schüssels Schwarzblau  unterscheiden

Beginnend mit dem Februar 2000 demonstrierten Tausende gegen die Regierungsbeteiligung der rechtsextremen FPÖ. Der ORF Wien beschäftigte sich vor Kurzem mit der Frage, warum gegen die – wahrscheinliche – neuerliche Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen viel weniger demonstriert wird als damals. Die bisher größte Kundgebung seit der Wahl war eine „Lichterkette“ rund ums Regierungsviertel am 15. November. Die Anzahl der TeilnehmerInnen war mit geschätzten 10.000 auch weit geringer als in den  „Wendejahren“

Die Situation, in der sich das Land befindet derzeit befindet, ist auch in vielen Dingen nicht mit der von 2000 vergleichbar. Für die Wahl im Jahr 2017 habe ich von Anfang an damit gerechnet, dass die FPÖ an einer Regierung beteiligt sein würde. Die einzige Frage, die ich mir stellte war, ob sie mit Hilfe von Rot oder mit Schwarz/Türkis an die Macht kommen würden.

Das Rennen hat dann die kurz’sche ÖVP gemacht, in dem sie FPÖ- Positionen 1:1 kopierte. Die Strategie der SPÖ, mit einem ihrer wichtigsten Themen, der Verteilungsgerechtigkeit zu punkten ging nicht auf, beziehungsweise wurde natürlich durch die „Silberstein- Affäre“ konterkariert

Was die politischen Inhalte betrifft, muss gesagt werden, dass sich ÖVP und SPÖ nicht erst in der letzten Legislaturperiode immer mehr an FPÖ- Positionen angenähert haben. Ich erinnere da an das populistische Verhüllungsverbot, dass die SPVP – Koalition beschloss,  die peinliche Diskussion über die Aufnahme von 50 minderjährigen Flüchtlingen oder die Forderung der Schließung der Brenner- Grenze, mit der sich SP- Doskozil und VP- Kurz gegenseitig überbieten wollten und die für Verstimmung mit Italien sorgte.

So gesehen beherrscht die FPÖ schon lange große Teile der österreichischen Politik, beispielsweise sind etwa viele der Forderungen aus dem „Österreich zuerst“ – Volksbegehren der FPÖ, das 1992 noch für Massenproteste sorgte, mittlerweile längst Gesetz. Die FPÖ hat also mit dafür gesorgt, dass die Republik die realpolitisch nach rechts gerückt ist.

Jetzt wird die FPÖ also nicht nur den Diskurs vor sich hertreiben sondern demnächst auch Regierungsämter besetzen. Dagegen werden wird wieder demonstriert werden, aber es werden längst nicht so viele wie anno 2000. Denn damals hat Wolfgang Schüssel ein Wahlversprechen gebrochen, um an die Macht zu kommen. Er überrumpelte das Land, indem er scheinbar über Nacht mit den Freiheitlichen einen Koalitionspakt präsentierte. Und damit war der „antifaschistische Schutzwall“, der bis dahin eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen verhinderte, gebrochen. Dieser wird auch – ob man das gut findet oder nicht – auch nie wieder errichtet werden können.

2017 hat die Volkspartei mit freiheitlichen Positionen den ersten Platz bei der Wahl errungen, es kommt daher auch nicht sehr überraschend, dass sie mit jener Partei koalieren will, mit der sie meisten inhaltlichen Positionen teilt.

Fast 58 Prozent derjenigen, die von Ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben, äußerten damit ihren Wunsch nach einer neoliberalen, rechts-rechten Regierung. Eine Mehrheit will also (wieder) eine rassistische, arbeitnehmerfeindliche Politik des Sozialabbaus und der Korruption. Diese wird sie mit ziemlicher Sicherheit auch bekommen.Jedes Volk bekommt eben die Regierung, die es verdient.

Gegen einiges, was Türkisblau plant werde ich wohl wieder auf die Straße gehen, aber sicher nicht mehr in der Häufigkeit und mit dem Elan, mit dem ich es von 2000 – 2006 getan habe. Das heißt aber nicht, dass ich resigniere. Vielmehr halte ich es für wichtiger, diesmal  konstruktiv am Aufbau bzw. der Stärkung einer progressiven Alternative zum türkisschwarzblauen Modell mitzuarbeiten. Das ist mit Sicherheit erfolgversprechender als wöchentlich auf die Straße zu gehen.

Feb. 202017
 
Marx Halle vor der Adaptierung

Marx Halle

Am Rande des dritten Bezirks liegt – im Herzen des Stadtentwicklungsgebietes „Neu Marx“ jene Halle, die früher einmal liebevoll „Rinderhalle“ genannt wurde und heute „Marx Halle“ genannt wurde. Das wunderschöne denkmalgeschützte Gebäude, dass zu Zeiten des dort ansässigen Viehmarktes noch Rinder vor der Schlachtung beherbergte und lange leer stand wird derzeit sehr erfolgreiche für kulturelle und auch andere Veranstaltungen  genutzt.

Leider soll mit dieser als „Zwischennutzung“ titulieren Verwendung der Halle nach dem Willen einiger PolitikerInnen und StadtplanerInnen bald Schluss sein.

Eine Zitat „[…]urbane Mischung  aus Kultur- und Kreativwirtschaft, Dienstleistungen, Gewerbe, Gastronomie und vieles mehr […] soll
geboten werden “ Weiters soll „Ein Fokus […] bei Start-ups liegen.“ (Siehe hier)

Als Anrainer des Geländes „Neu Marx“ und der Marx Halle bin ich aber vom Angebot an Kunst, Kultur und Unterhaltung, das die  derzeitige „Zwischennutzung“ mit sich bringt mehr als begeistert. Das beginnt beim „Globe Wien“, geht über diverse Konzerte bis hin zu großartigen Veranstaltungen wie die „Wiener Fahrradschau“ im letzten Jahr.

Seitens der Politik und den StadtplanerInnen wurde uns, als wir vor einigen Jahre im Erstbezug hier einzogen, viel versprochen –  ein
belebtes Viertel der Kreativwirtschaft mit Lokalen und Einkaufsmöglichkeiten. sollte es werden. Bis zur kulturellen Nutzung der Marx Halle war davon aber so gut wie nichts zu bemerken – zumindest am Wochenende glich das Gelände einer Geisterstadt; sämtliche Lokale waren geschlossen, und sogar die eröffnete Bank-Filiale schloss samt Bankomat rasch wieder für immer ihre Pforten. Die aktuelle Nutzung der „Marx Halle“ als Ort für Kunst, Kultur und Unterhaltung  dagegen brachte endlich mehr Leben ins Grätzl.

Es wäre eine Schande, wenn man diese Nutzung jetzt wieder beenden und aus der Marx- Halle eine Art überdachte Schrebergartensiedlung machen würde – sie soll für große Events erhalten bleiben! Hoffnungsvoll stimmt mich die Tatsache, dass ich mit meiner Kritik offenbar nicht alleine bin. Für die derzeit so beliebten Startups, die unter anderem als Begründung für eine neue Nutzung der Halle herhalten sollen, gibt es ohnedies bereits auch andere Projekte, wie den Medien zu entnehmen ist.

Für eine Marx Halle als Ort von Kultur, Kunst und Unterhaltung!

Dez. 022016
 

Ehrlich gesagt: zu Beginn des Jahres hat mich die Wahl zum Bundespräsidenten ja nicht besonders interessiert. Für mich war zwar klar: Van der Bellen würde in die Stichwahl kommen, wahrscheinlich gegen einen der beiden „Volksparteien“ SPÖ oder ÖVP.

Dass es dann Hofer vs Van der Bellen sein würde, war eine Überraschung, und dass Hofer im ersten Wahlgang so weit vorne lag ein Schock. Genauso wie Zitterpartie bei der Stichwahl.

Mittlerweile ist klar, dass die Wiederholung der Stichwahl am kommenden Sonntag mehr als die Wahl eines Staatsoberhaupts ist. Angesichts des Vormarsches der Rechtspopulisten in der westlichen Welt – von Orban über Kasinzky bis zur Schock- Entscheidung in den USA für Donald Trump als Präsidenten – ist sie zur Richtungsentscheidung darüber geworden, ob Österreich weiter den erfolgreichen Weg der liberalen Konsensdemokratie geht, oder sich dem Trend zur „illiberalen“ Demokratie, zum zunehmenden Autoritarismus anschließt.

Alexander Van der Bellen hat nach dem Sieg im Frühjahr beim ersten Versuch der Stichwahl angekündigt, die unübersehbaren Gräben, die sich auch in der österreichischen Geselschaft aufgetan haben, zu überwinden und Brücken zu bauen. Ihm traue ich das zu. Ihm traue ich auch zu, Österreich nach außen würdig zu vertreten. Er ist im gesamten Wahlkampf seiner Linie treu geblieben – etwa was sein „Nein“ zum „Öxit“ oder seine Ansage zu einer etwaigen Regierungsbildung mit FPÖ- Beteiligung betrifft.

Selbstverständlich habe auch ich Kritikpunkte an Van der Bellen – beispielsweise seine Haltung zu Studiengebühren während seiner aktiven Zeit als Chef der Grünen – aber um diese Themen geht es diesmal nicht, es geht darum, den Richtigen für die Position des Staatsoberhauptes zu bekommen.

„VDB“ wird verlässlicher Bundespräsident sein, und im Gegensatz zu seinem Konkurrenten wird er auch von zahlreichen Menschen aus anderen Parteien, von Parteiunabhängigen, Künstlern, Schauspielern -und ja auch zahllosen „einfachen“ BürgerInnen unterstützt, die sein Konkurrent als „Hautevolee“diskreditieren will.

Ich bitte Euch daher: am Sonntag – Eure Stimmen für Alexander Van der Bellen!

Danke!

Juli 072016
 

Der noch recht neue Innenminister der ÖVP – Sobotka, hat in seiner Funktion als niederösterreichischer ÖAAB- Chef, der ArbeitnehmerInnen Organisation der Volkspartei, der Öffentlichkeit seine geistigen Ergüsse zum Thema Mindestsicherung aufgedrängt.

Sehr bemerkenswert finde ich zunächst mal, dass er meint, dass es den Sozialdemokraten  nicht egal sein könne, „[…]wenn zwischen Erwerbsarbeit und Mindestsicherung kein Unterschied mehr bestehe“. Stimmt, Herr Sobotka! Sollte es und wird es nicht. Aber statt daraus den Schluss zu ziehen, dass die Mindestsicherung gesenkt werden muss, ist es wesentlich vernünftiger und logischer, dafür zu sorgen, dass die Löhne und Gehälter in der Erwerbsarbeit erhöht werden!

Die Anwartschaft, die Herrn Sobotka vorschwebt, halte ich genauso für eine ausgemacht Schnapsidee. Es heißt ja deshalb, „bedarfsorientiert“ wird selbige ja deshalb genannt, weil sie für Menschen gedacht ist, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden, und materielle Hilfe brauchen, um ihr Leben zu meistern. Man kann diese Forderung nur als das sehen was sie ist: ein weiterer Versuch der Anbiederung an den rechten Rand der Gesellschaft, der glaubt, dass ihnen die „Bösen Flüchtlinge“ was wegnehmen würden.

Aus dem selben Grund ist auch sein Vorschlag der Verpflichtung für gemeinnützige Arbeit abzulehnen, allein dass er sich an „Hartz-IV“ orientieren will, spricht Bände: Hartz-IV hat in Deutschland eine neue Klasse von „Working poor“ geschaffen.

Aber auch nicht verwunderlich, dass die Konservativen eine der vielen miesen Idee der mittlerweile verblichenen „Third way“ – „Sozial“demokratie dankbar aufgreift.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich die österreichischen Sozialdemokraten nicht ein weiteres Mal über den Tisch und damit zu diesen Forderungen „überreden“ lassen – und dass sich damit Kanzler Kern endlich nicht nur als guter Redner sondern endlich auch als „Macher“ entpuppt.

 

 

Nov. 302015
 

Wir treffen uns seit einem Monat regelmäßig mit einer Flüchtlingsfamilie. Begonnen hat alles mit unserem schlechten Gewissen. Dem schlechten Gewissen, dass wir ein gutes Leben führen, uns Dinge kaufen und leisten, die wir eigentlich gar nicht brauchen, während andere – auch in Österreich – ums tägliche Überleben kämpfen und Menschen mit nicht viel mehr als ihren Kleidern am Leib vor Kriegen aus ihren Heimatländern flüchten müssen.

Dann begann im September 2015 die Flüchtlingswelle: Wir sahen die schrecklichen Bilder in Ungarn, die Menschen, die sich in ihrer Verzweifelung zu Fuß von Ungarn auf den Weg nach Österreich machten, die sofortige Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft an den Bahnhöfen in Österreich. Gleichzeitig waren wir gar nicht überrascht vom Versagen der österreichischen Innenpolitik geschweige denn von der Hetze und den primitiven Parolen aus den einschlägigen Reihen. Betroffen und nachdenklich gestimmt hat uns hingegen die skeptisch-ablehnende Haltung aus unserem eigenen Umfeld, wonach uns diese gesamte Flüchtlingssituation auf Dauer überfordern werde, diese Flüchtlinge mit einer gänzlich falschen Erwartungshaltung zu uns kämen oder schlichtweg nicht zu uns passen. Solche Antworten wollten wir freilich nicht akzeptieren.

Schließlich brachten uns diese vielen Diskussionen auf eine Idee. Wir schrieben eine der Hilfsorganisationen an, mit dem Vorschlag, dass wir gerne in Kontakt zu Flüchtlingen treten wollen. Wir würden diese Menschen in weiterer Folge alle ein bis zwei Wochen treffen, mit ihnen etwas unternehmen – spazieren gehen, ein Museum besuchen oder einfach Deutsch lernen. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt auch nicht, ob dies funktioniert, waren sogar skeptisch gegenüber solch „organisierten Bekanntschaften“.

Heute wissen wir: Es ist möglich. Wir haben die vierköpfige Familie aus dem arabischen Raum mittlerweile drei Mal getroffen. Bei einem einem ersten kurzen Treffen in Anwesenheit einer Mitarbeiterin der Flüchtlings-NGO tauschten wir Telefonnummern aus und verabredeten uns für das kommende Wochenende.

Der darauf folgende Sonntag erwies sich dann als äußerst schön, sehr lehrreich und interessant – und zwar sowohl für uns als auch für die Familie. Gemeinsam besuchten wir den Wiener Christkindlmarkt und ein bekanntes Wiener Kaffeehaus. Überraschend für uns kam dann die Essenseinladung der Familie in ihre Unterkunft. Wir genossen ein herrlich zubereitetes arabisches Essen.

Lehrreich war der Tag für uns, weil wir erkannten, dass sich ihre Art zu Leben so gut wie gar nicht von der unsrigen unterscheidet. Vielen Fragen der Familie, insbesondere zur komplizierten deutschen Grammatik, konnten wir beschähmenderweise auch nicht restlos beantworten. Dass die Uhren in Österreich im Hinblick auf die Dauer der Asylverfahren anders ticken, ist leider ein trauriges auch für uns unverständliches Faktum, was wir mit der Familie – die seit mehr als zwei Jahren auf eine Erledigung ihres Verfahrens wartet – ebenfalls erörterten.

Beim dritten Treffen haben sie uns in der Wohnung besucht, wir haben gemeinsam Deutsch und Arabisch gelernt, gekocht und gegessen. Für die Zukunft sind gemeinsame Museumsbesuche, gemeinsames Kochen und vieles mehr geplant. Es steht mit Sicherheit noch eine interessante und schöne Zeit vor uns. Wir gestehen aber durchaus zu, dass wir noch vor dem Kennenlernen die Treffen mit diesen Menschen als eine ehrenamtliche Aufgabe betrachteten. Allerdings änderte sich dieser Zugang schon nach dem ersten Kennenlernen: Denn für uns sind es mittlerweile kein Treffen mehr mit Flüchtlingen, sondern vielmehr Treffen mit Freunden (mittlerweile kommunizieren wir auch fast täglich über Whatsapp und tauschen uns aus), die für alle bereichernd sind und eine Freude machen.

Die wichtigste Erkenntnis ist: genau SO kann ehrlich gemeinte Integration funktionieren. Nämlich: indem BEIDE Seiten offen und willens sind, einander kennen zu lernen.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten Wochen sammeln durften, haben uns auf eine Idee gebracht: Wie wäre es, eine Onlineplattform zu schaffen, auf der sich interessierte AsylwerberInnen und interessierte ÖsterreicherInnen einfach und unkompliziert kennenlernen können? Wir stellen uns dabei etwas Ähnliches vor wie eine der zahlreichen Partnerbörsen, nur eben mit dem Ziel, Integration zu fördern.

Wir haben unter dem Arbeitstitel „hit it off“ (englisch für „sich gut verstehen“) ein erstes Konzeptpapier erarbeitet, dass wir hiermit zur Diskussion stellen.

Bianca Fink und Stefan Mackovik.