Mrz 292013
 

In den vergangen Tagen hat in Österreich eine Diskussion um den Urlaubsanspruch von Lohnabhängigen begonnen. Unter anderem fordern Arbeits-, und Sozialminister Hundsdorfer sowie etwa die Gewerkschaften sechs – statt bisher fünf – Wochen Urlaubsanspruch pro Jahr für alle arbeitenden Menschen.

Wenig verwunderlich, dass die Arbeitgebervertreter, die sich sonst von Ihren Angestellten immer mehr Flexibilität verlangen, die bei sich selbst vermissen lassen und die Forderung nach mehr Urlaub ablehnen.

Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen heute real bis zu achtzig Stunden pro Woche arbeiten halte ich diese Forderung für gerechtfertigt. Die derzeit geltende Regelung sieht eine sechste Urlaubswoche allgemein erst nach 25 Dienstjahren – und zwar 25 Jahre beim selben Arbeitgeber. Diese Regelung ist in jedem Fall nicht mehr zeitgemäß, denn in  vielen Branchen ist es absolut unüblich oftmals auch unmöglich, 25 Jahre lang im selben Unternehmen zu arbeiten.

Aber auch im Hinblick auf das, zum Glück immer wichtiger werdenden Gleichgewicht zwischen Berufsleben und Freizeit, das seit einigen Jahren unter dem Begriff „Work-Life-Balance“ diskutiert wird, wäre eine sechste Urlaubswoche – auch für Menschen, die weniger als 25 Jahre arbeiten, wichtig und notwendig.

Dabei kann aber ein Mehr an Urlaub nur der Beginn eines Prozesses sein, um das Verhältnis zwischen Arbeits–, und Freizeit neu zu regeln. In Regelmäßigen Abständen hören wir von diversen „ExpertInnen“, dass wir, angesichts zunehmender Lebenserwartung und Überalterung, zukünftig länger im Berufsleben stehen werden müssen. Vermutlich kann das drohende Szenario durch verstärkte Zuwanderung abgefedert werden, dennoch glaube auch ich, dass Menschen früher oder später bis 70 oder länger arbeiten werden müssen.

Würde man sich schon heute die richtigen Maßnahmen überlegen, würde „müssen“ vielleicht auch ein „wollen“ werden. Heute ist es ja noch üblich, dass man „im besten Alter“ – also zwischen 20 – und 60 – sein Leben hauptsächlich in der Arbeit verbringt, Geld spart, um sich „in der Pension etwas leisten zu können“. Doch jeder kennt die Fälle von Familienmitgliedern, Verwandten oder Bekannten, die während ihres aktiven Berufsleben davon schwärmten, was sie „in der Pension“ nicht alles machen wollen – ob Weltreise, Studium oder etwas anderes – und dann, wenn es soweit ist, zu krank oder zu müde sind, um die Pläne dann auch zu verwirklichen sind.
Was wäre, wenn man diese Pläne nicht erst „dann mit 60“ umsetzen könnte, sondern JETZT? Einfach ein Jahr auf Weltreise gehen, ein eigenes Buch schreiben, einen anderen Traum verwirklichen könnte? Das geht gewiss mit einigen Anstrengungen auch heute schon, aber vielleicht könnte man auch bessere gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, dass ich dabei nicht um meine Existenz fürchten muss, etwa in dem mir mein Arbeitgeber garantiert, dass nach dem Jahr wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehren kann? Nicht umsonst erfreuen sich Modelle wie das „Sabbatical“ zunehmender Beliebtheit. Allerdings sind viele dieser Modelle an die Bedingung geknüpft, dass man während dieser „Auszeit“ eine Weiterbildung besuchen muss. Diese Beschränkung halte ich aber für nicht zielführend: vielleicht hilft es einem Menschen mehr, später wieder Spaß an seinem Job zu haben, wenn er zwischendurch für ein Jahr auf einer einsamen Insel lebt,  eine Wanderung quer durch Europa macht oder Obdachlose in der Wiener Gruft betreuen kann.

Auf Seiten der Finanzierung dieser „Träume“ in den besten Jahren seines Lebens sollte man natürlich auch über die Sinnhaftigkeit heute existierender Transitionssysteme diskutieren – und Alternativen andenken. Ein interessanter Ansatz wäre beispielsweise  das Bedigunglose Grundeinkommen.

Zusammenfassend ist zu sagen: „Arbeiten bis 75?“ Warum nicht, wenn man dazwischen auch mal was anderes machen kann, an dem man Spaß hat, und wenn man noch entsprechend gesund ist. Dabei wären aber auch die Unternehmen gefragt, endlich flexibler zu werden.

Aug 212009
 

Begonnen hat die Diskussion Sozialminister Rudolf Hundstorfer mit seiner Ankündigung, die Anzahl der geleisteten Überstunden in Österreich senken zu wollen. Dabei wollte er aber explizit die Aussage nicht als „Plädoyer für die 35-Stunden-Woche“ verstanden wissen.

Dieses Plädoyer haben gestern die Grünen abgeliefert, und sie haben recht mit Ihren Forderungen bzw. Vorschlägen. Allein die Tatsache, dass letztes Jahr 370 Millionen Überstunden in Österreich geleistet wurden, die Anzahl der Jobs aber, aufgrund zunehmender Automatisierung und aktuell auch wegen der Wirtschaftskrise, tendenziell eher weniger als mehr werden, sollte zum Nachdenken anregen. Ist es beispielsweise wirklich sinnvoll, dass viele Mitbürger 50, 60 oder 70 Stunden pro Woche arbeiten?

Sicher geht die Rechnung, dass mit der vollständigen Abschaffung von Überstunden 180.000 Vollzeitarbeitsplätze geschaffen würden, derzeit so nicht auf. Schließlich gibt es beispielsweise im IT-Bereich Arbeitskräftemangel, sprich: es wären gar keine Leute da, die Arbeit der weggefallenen Überstunden erledigen könnten. Außerdem dürften einem Arbeitgeber zwei Arbeitnehmer, die 35 Stunden pro Woche arbeiten nicht mehr kosten als als einer, der 70 Stunden arbeitet.

Auch wenn also noch viele Details zu klären, so gehen die grundsätzlichen Überlegungen in die richtige Richtung. Wenn es immer mehr Menschen in arbeitsfähigen Alter gibt, die Anzahl der Arbeitsplätze aber nicht in gleichem Masse steigt, muss die vorhandene Arbeit eben auf mehr Menschen aufgeteilt werden, sprich: für viele weniger Arbeit, statt für Wenige viel Arbeit und für den Rest gar nichts. Die Alternative dazu ist, dass Wenige für den Erhalt derjenigen arbeiten, die keine Arbeit haben. Und diese Alternative ist – Stichwort Sozialschmarotzer noch viel verpönter in unserer Zeit.

Überhaupt sollte man bestimmte Werte unserer heutigen Industriegesellschaft ernsthaft zu hinterfragen beginnen. In großen Teilen der Bevölkerung ist dann jemand wichtig und angesehen, wenn er viel arbeitet, wenig schläft – und  „Zeit für gar nix hat“ (außer Arbeit).

Dabei ist es zumindest aus meiner Sicht viel besser, wenn man nicht lebt, um zu Arbeiten, sondern arbeitet um zu leben.