Apr 102012
 

Alternative politische Parteien und Bewegungen wie die Piratenpartei, die österreichische „Onlinepartei“  oder die Initiative „Österreich spricht“ sind aktuell – spätestens mit der Überraschungserfolg der „Piraten“im Saarland –  im Fokus der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Diskussion.

Die Frage ist: sind oder bieten diese Parteien wirklich die Antworten auf die Probleme, mit denen unser demokratisches System zu kämpfen hat? Festhalten ist zunächst, dass grundsätzlich jedes politisches Engagement in diesem Land und in ganz Europa zu begrüßen ist. Viel zu viele in der Bevölkerung haben entweder die Hoffnung aufgegeben, dass sich etwas zum Positiven ändern könnte, und viel zu wenige werden selbst aktiv, um zumindest Veränderung zu versuchen.

Bemerkenswert an den aktuellen Entwicklungen für mich weiter: während bis vor Kurzem politische Arbeit innerhalb von Parteien als völlig uninteressant und gestrig galt und man/frau sich innerhalb  von zivil-gesellschaftlichen Gruppierungen wie ATTAC, Greenpeace oder SOS Mitmensch organisierte, haben zumindest einige das etwas angestaubte Vehikel „Partei“ für sich entdeckt. Vielleicht auch, weil ATTAC & Co höchstens indirekt auf Politik und Gesetzgebung einwirken können (und aus meiner Sicht bisher damit viel zu wenig Erfolg hatten), die Umsetzung von Politik aber nach wie vor im Parlament passiert?

Die  österreichische Piratenpartei, die formell schon seit 2006 existiert, wird erst jetzt von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Das empfinde ich persönlich nicht als verwunderlich, war sie doch bis vor Kurzem eine reine „Single issue“ – Partei zum Thema „Bürgerrechte im Internet“. Mir als „Heavy User“ des Internets sind Themen wie Informationsfreiheit oder  Privatsphäre im Internet zwar wichtig – allerdings nicht wichtig genug, deshalb eine Partei zu wählen, die sich fast ausschließlich auf diese spezialisiert hat. Für eben so essentiell halte ich beispielsweise soziale Gerechtigkeit, eine Reform des Bildungssystems oder oder auch Umwelt- und Klimaschutz. Zwar haben die „Piraten“ mittlerweile begonnen, sich mit manchen dieser Themen zu beschäftigen. Die Kompetenz, glaubhaft für diese Dinge einzutreten spreche ich ihnen aber derzeit noch ab.

Die Existenz der „Piraten“wird im Netz macherorts geradezu frenetisch bejubelt, und auch wenn ich damals noch zu jung war, so kann ich mir gut ausmalen, dass auch ähnlicher Enthusiasmus bei der Gründung der „Grünen“ vor knapp 25 Jahren geherrscht haben könnte. Wohl nicht wenige derjenigen, die sich heute bei den „Piraten“ engagieren tun dies, so stelle ich mir das zumindest vor, weil sie die „Grünen“ nur mehr als „stinknormale Partei“ wahrnehmen, die sich von den anderen „Altparteien“ nur marginal unterscheidet. Tatsächlich wirken sie auch auf mich als bekennenden Wähler viel zu oft verkrampft. Um es etwas polemisch zu sagen:  auf dem Altar der Political Correctness  wird viel zu häufig der Spaß und die Lebenslustigkeit geopfert.

Diese Spießigkeit fehlt den“Piraten“ wohl noch. Sie wirken dagegen unkonventionell, frisch und „chaotisch“. Da sie zwangsläufig noch nicht im politischen System (innerhalb des Parlaments) verankert sind, werden sie als Antwort auf verknöcherte „BerufspolitikerInnen“ gesehen, die mittlerweile ja häufig pauschal entweder für korrupt oder unfähig  gehalten werden.

Klar ist aber auch, dass mittelfristig auch die Piratenpartei professioneller werden muss, will sie politisch überleben, und noch wichtiger: politisch etwas bewegen – und damit würde sie auch zwangsläufig etwas weniger „sexy“ werden.

Auch wenn ich derzeit skeptisch bin, ob es die „Piraten“ als neue politische Kraft langfristig in der Parteienlandschaft braucht, so liefern sie dennoch wichtige Ideen und Impulse für Demokratie in Europa und Österreich und in den bestehenden etablierten Parteien. So werden Konzepte wie Liquid Feedback und andere Formen der Partizipation durch sie entweder erprobt oder gar entwickelt. Bleibt zu hoffen, dass auch andere Parteien sich diesen neuen Konzepten öffnen, oder durch den Erfolg neuer konstruktiver politischer Kräfte genötigt sehen, Veränderungen in ihren Strukturen stärker zuzulassen.

Sollten die „Piraten“ wider meinen Erwartungen doch zu einer ernsthaften, thematisch breiter aufgestellten, Partei werden so würde ich mir nur eines wünschen: einen konstruktiveren Namen.