Jan 212013
 

Es ist vorbei, die Volksabstimmungsschlacht ist geschlagen: Österreich , genauer gesagt vor allem die älteren Semester, hat sich für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen. Bemerkenswert dabei: laut Umfragen war nicht das Heer selbst der Hauptgrund, sondern die Beibehaltung des Zivildienstes.

Hätten wir mutige PolitikerInnen, wäre dieses Ergebnis eine Initialzündung für tiefgreifende Reformen.  Wenn den ÖsterreicherInnen der Zivildienst tatsächlich so wichtig ist, dann solle man ihn deshalb weiter attraktiveren. Ein logischer erster Schritt wäre aus meiner Sicht, über die Dauer von Zivildienst und Wehrpflicht nachzudenken. Ist es gerecht, dass ersterer neun, letzterer aber nur sechs Monate dauert? Anstatt die beiden unten anzugleichen, hätte ich aber einen etwas radikaleren Vorschlag: in Hinkunft weiterhin 9 Monate Zivildienst – aber statt dass die Zeit beim Heer kürzer dauert, sollte sie ausgedehnt werden – man könnte im Extremfall sich an Israel orientieren – dort dauert die Wehrpflicht zwischen zwei und drei Jahre – oder aber zumindest über 12 – 18 Monate Grundwehrdienst nachdenken.

Das würde zunächst einmal der Meinung  jener Experten Rechnung tragen, die der Ansicht sind, dass sechs Monate zu kurz sind, um alle wichtigen Fähigkeiten für den Einsatz in der Armee zu erlernen. Auch beim Zivildienst rechnet man ja mit zwei Monaten Ausbildung, was heißt dass ein Zivildiener dann noch sieben Monate produktiv im Einsatz sein kann.

Ein weiterer, wichtigerer Effekt wäre aber: Zivildienst im Sozialbereich würde plötzlich attraktiver werden, einfach schon aus dem Grund, weil er kürzer wäre. Heute hört man ja immer wieder das Argument: „ich drück das Heer durch, das ist schneller vorbei“. Ziel der Umkehrung muss sein: nicht der Zivildienst ist der Ersatzdienst fürs Heer, sondern umgekehrt: die Zivildienstverweigerer sollen halt länger im Heer dienen müssen. Zusätzlich sind natürlich noch andere Maßnahmen anzudenken, etwa eine bessere Bezahlung (niemand soll finanzielle Einbußen durch den Zivildienst erleiden müssen), oder die Abschaffung sinnloser Dienste – ich habe etwa 12 Monate im Innenministerium am Computer verbracht, von denen ich vielleicht 10 Tage wirklich produktiv war).

Wie gesagt, das alles wäre möglich – wenn wir handlungsfähige, mutige PolitikerInnen hätten. Nur ist von solchen leider weit und breit nichts zu sehen – man darf nicht vergessen dass die Volksbefragung vom vergangenen Sonntag Ihre Wurzeln in der Unfähigkeit zu Einigungen zwischen SPÖ und ÖVP hat.

Und noch etwas hat sich gezeigt: wie mangelhaft die direkt- demokratischen Instrumente sind: eine „entweder- oder“ – Frage wie „Berufsheer oder Wehrpflicht“ kann nicht die Krönung der BürgerInnenbeteiligung sein. Wieso hab ich keine Möglichkeit zu sagen: „Ich bin für eine vollständige Abschaffung des Heeres“ oder „Ich bin für einen Zivildienst für alle“ oder aber „ich habe einen ganz anderen Vorschlag nämlich dieses und jenes“…. Einfache Volksbefragungen sind leider sehr anfällig für populistische Manipulationen.

 

Jan 102013
 

In meinem ganzen Leben war ich noch nie so unentschlossen wie diesmal bei der am 20. Jänner anstehenden Volksbefragung „Berufsheer oder Wehrpflicht“. Auch wenn ich mittlerweile eine Entscheidung getroffen habe, so schwankte ich bis vor Kurzem noch zwischen „sicher für Berufsheer“, „nicht hingehen“, „weiß/ungültig“ wählen oder gar (eher weniger) „pro Berufsheer“.

Sieht man sich an, wie in der Diskussion derzeit die Grenzen verlaufen, dann bin ich mir sicher: ich stehe mit diesem Problem nicht alleine da. Während rechts der Mitte die Reihen pro Wehrdienst mittlerweile relativ geschlossen scheinen, sieht es links der Mitte doch ein wenig anders aus: während die SPÖ- Spitze unermüdlich versucht, die von ihr ausgegebene Linie pro Berufsheer durchzudrücken, schießen etwa Vorfeldorganisationen wie die Sozialistische Jugend oder auch einige Landesorganisationen quer.

Viele Linke etwa teilen heute die traditionelle (ehemalige) Position der SPÖ – pro Wehrpflicht, weil sie eine Unterwanderung eines Berufsheer durch antidemokratische, rechtsextreme Kräfte fürchten. Zu dieser Argumentationslinie hörte ich unlängst ein gutes Gegenargument: wäre man wirklich für die bestmögliche Durchmischung in einem Heer mit allgemeiner Wehrpflicht, so müsste man eigentlich den Zivildienst abschaffen – denn schon bisher gingen viele humanistisch eingestelltere junge Männer lieber in soziale Einrichtungen, statt den Dienst an der Waffe abzuleisten. An Abschaffung des Zivildienstes bei gleichzeitiger Wehrpflicht denken aber wohl auch diese Zweifler nicht.

Bezeichnend für die meisten (anderen) Wehrpflichtbefürworter ist, welche Argumente da immer wieder zu hören sind: Katastrophenschutz und Zivildienst.Denn: jedem denkenden Menschen muss klar sein, was die primäre Aufgabe jeder Armee sein muss: die militärische Verteidigung eines Landes, und im Ernstfall damit die Tötung von Menschen.

Erfüllt als auch das österreichische Bundesheer auch nur ansatzweise seinen Zweck, so muss es jungen Männern und Frauen Befehlsgehorsam, dem Umgang mit Waffen und das Töten von Menschen beibringen.

Alle anderen Funktionen, die das Bundesheer sonst noch ausfüllt, sind unter „außerdem…“ einzureihen, gerade im Katastrophenfall leisten Organisationen wie freiwillige Feuerwehren oder das Rote Kreuz wesentlich mehr. Und selbst wenn noch zusätzliche Katastrophenhelfer gebraucht werden: wer sagt, dass diese unbedingt aus dem Bundesheer rekrutiert werden müssen?

Zynisch mutet an, dass die Wehrpflicht mit dem Zivildienst verteidigt wird:  die ÖVP und andere wollen sich die schlecht bezahlten Sozialdienstleister nicht wegnehmen lassen, dabei wäre es allgemein höchst an der Zeit, dass auch hauptberuflich im Sozialbereich tätige endlich besser entlohnt werden, weil sie einige der, wenn nicht DIE wichtigste Arbeit in unserer Gesellschaft leisten. Dabei müssen sie heute noch in Konkurrenz mit (verständlicherweise) nicht immer sehr motivierten Zivildienern treten.

Die Position etwa der KPÖ und vieler Grünen: die ersatzlose Abschaffung des Heeres halte ich für eine grundsätzlich schöne Vorstellung, aber für eine wenig realistische: unter anderem hat sich Österreich ja im Staatsvertrag zur Landesverteidigung verpflichtet – es hinge also nicht allein von Österreich ab, wollte man es tatsächlich abschaffen.

Bei all diesem Überlegungen darf man aber eines nicht vergessen: dass die gesamte Volksbefragung nicht mehr ist, als ein Wahlkampfschlager, einer den Michael Häupl wohl mittlerweile bereuen dürfte – nicht nur, weil er ihm bei den letzten Wiener Wahlen wenig genutzt hat: die SPÖ hat Ihre Absolute zum Glück dennoch nicht halten können.  Hätte man es ernst gemeint, so hätte am Anfang der Diskussion die Frage stehen müssen: „Was soll das Österreichische Bundesheer in Zukunft leisten? Welche Aufgaben erfüllen?“- danach wären die bestmöglichen Modelle zu diskutieren gewesen. die Frage „Wehrpflicht oder Berufsheer?“ dagegen ist eine rein populistische.

Was den beiden Regierungsparteien erfolgreich mit der Diskussion gelungen ist: über meiner Meinung nach wichtigere Themen wie das Bildungssystem, Korruption, Neoliberalismus  oder Klimawandel wird nicht mehr diskutiert, und SPÖ und ÖVP werden uns noch lange vorhalten, wie demokratisch sie nicht wären, weil sie uns übers Heer befragt hätten. Ich bin jedenfalls gespannt, ob es demnächst auch Volksbefragungen über höhere Vermögenssteuern oder soziale Gerechtigkeit geben wird, an die sich die Koalitionäre dann halten werden…

Bei der Volksbefragung am 20.1. werde ich übrigens für ein Berufsheer stimmen, aber nicht ohne einen gesalzenen Kommentar an die Regierungsparteien am Stimmzettel…

[Update 15.1.2013]
Nachdem ich das Argument „Soldaten im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht würden nicht auf eigene Bevölkerung schießen“ immer mal wieder höre: ich halte diese Annahme für Blödsinn, beziehungsweise idealistisch. Denn: zur Ausbildung gehört es, zu lernen, dass man Befehlen zu gehorchen hat. Ist die Ausbildung also halbwegs erfolgreich, und kommt im Fall des Falles der Befehl von oben, auf „die Bevölkerung“ zu schießen, dann werden sie es tun, weil sie es so gelernt haben. Um moralische Bedenken auszuräumen, könnte man dann die Menschen dann ja „Terroristen“ nennen…

 

Feb 122010
 

Seit Wochen wirbt nun schon die Wiener SP für ihre „Volksbefragung“. Die Meinungen darüber, wie die Landesregierung mit diesem direkt-demokratischen Instrument gehen dabei in der öffentlichen Diskussion weit auseinander.

In seinem Blog-Beitrag „Hingehen? Gibt’s Alternativen?“ „auf wienwillswissen.at begründet Michael Eisenriegler, bekannter Neue-Medien- Unternehmer und SP- Mitglied, warum er es für wichtig hält, an der Volksabstimmung teilzunehmen.

Da ist von Demokratie die Rede, die sich nicht darauf beschränken solle, alle 5 Jahre ein Kreuzerl zu machen und von der Wichtigkeit der  Instrumente der Volksbefragung und der Volksabstimmung.

Grundsätzlich bin ich ebenfalls der Meinung, dass Demokratie mehr sein kann, nein sein MUSS, als alle paar Jahre wählen zu gehen. Aber ob fünf Kreuzerl so viel mehr Beteiligung an der Demokratie bedeuten als eines, wage ich dann doch eher zu bezweifeln. ECHTE Beteiligung heißt für mich vielmehr, sichan NGOs zu beteiligen, sich in Parteien organisieren, seine Meinung zu einem Thema öffentlich zu machen und mit seiner Umwelt zu diskutieren.

Aus meiner Sicht gibt es außerdem gute Gründe, warum das Mittel der Volksbefragung bzw. -abstimmung nur sparsam eingesetzt werden sollte. Einerseits ist das die Tatsache, dass es sehr manipulativ eingesetzt werden kann. Das beste Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist dabei das Ergebnis der Volksabstimmung über das Minarett- Verbot in der Schweiz – das war Populismus im schlechtesten Sinne, denn die Menschen stimmten in Wahrheit über alles Mögliche ab, Minarette zählten dabei aber wohl zu den weniger triftigen Gründen für das „Ja“.

Zweiter Punkt: eine Volksabstimmung ist kein Ersatz für mutige Politik. Das sei am Beispiel des Volksbefragungs- Punktes „Citymaut“ erklärt: mangels Wissen über die konkrete Ausformung einer Citymaut, und aufgrund der Tatsache, dass man grundsätzlich eher ablehnt, was man nicht kennt wird die Frage mit ziemlicher Sicherheit mehrheitlich mit „Nein“ beantwortet werden. In London hat man die Citymaut eingeführt – und zwar OHNE vorherige Abstimmung. Laut Umfragen war zu Beginn die Mehrheit der Bevölkerung dort auch GEGEN die Maut. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und es gibt große Zustimmung für die Maßnahme – man hat sich daran gewöhnt und schätzen gelernt.

In Wirklichkeit könnte man also eine Volksabstimmung auch als Entscheidungsfähigkeit der poltischen Kräfte bewerten – nach dem Motto: „Ich traue mich nicht, also frag ich lieber das Volk“.

Zurück zur Wiener Volksabstimmung. Die ist leider offensichtlich ein Wahlkampfgag der SPÖ, denn anders ist nicht zu erklären, warum gerade DIESE fünf Fragen ausgewählt wurden, und warum sie teilweise so manipulativ gestellt werden. So ist zum Zusatztext am Stimmzettel(!) zu lesen „In Wien konnte durch die Verkehrspolitik […] in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden.“ – also nach dem Motto: „in Wien geht der Autoverkehr zurück – und wollen sie IMMER NOCH eine Citymaut? Naaaa?“.

Die Frage ist, ob diese SPÖ- Strategie, statt für mehr Demokratie zu sorgen, nicht sogar eher die direkt- demokratischen Instrumente beschädigt und diskreditiert. Jedenfalls sieht alles stark nach einem zu offensichtlichen PR- Schlager im Wahljahr aus.

Trotz allem habe auch ich von meinem Wahlrecht Gebrauch gemacht – und nicht so gestimmt, wie es die SPÖ sich vielleicht wünscht. Leider hege ich Zweifel daran, dass das mehr Leute tun werden – unter anderem auch deshalb, weil sie aus Protest gegen die manipulative Befragung dieser fernbleiben werden.