Jun 042012
 

Hat sich die Öffentlichkeit vor einigen Wochen noch mit neuen politischen Parteien wie den „Piraten“ beschäftigt, so wird neuerdings das Thema „Direkte Demokratie“ verstärkt diskutiert. Aktuell hat sich besonders die ÖVP dieses Thema auf die Fahnen geschrieben, vermutlich in der Hoffnung,  damit aus dem bereits lange anhaltenden Umfragetief zu kommen.  Die Junge Volkspartei hat dazu unter dem Vorsitz von Sebastian Kurz ein Paket namens Demokratie.Neu erarbeitet. Auch wenn ich mit der JVP, wie mit ihrer Mutterpartei, wenig bis gar nichts anfangen kann, so muss ich anerkennen, dass darin einige gute Ansätze zu finden sind. Die „parlamentarische Bürgeranfrage“ wäre ein wichtiger Schritt um Politik(er)verdrossenheit zu begegnen, und ein eigenständiges Schulfach für „politische Bildung und Staatskunde“ das aus jeder Menge „Stimmvieh“ endlich mehr politisch mündige Bürger produzieren helfen könnte, hab ich mir schon vor 20 Jahren gewünscht.

Weniger begeistert mich da schon die Idee der Steuergeldzweckwidmung – klar, dass da ein großer Teil der Bevölkerung nur an sich selber denken würde – aber wäre es nicht Aufgabe kluger PolitikerInnen, Geld klug und gerecht zu investieren (auch wenn das natürlich derzeit oft nicht der Fall ist) ?

Unter der Überschrift „Direkte Demokratie“ verbirgt sich dann im Konzept der viel diskutierte „Volksbefragungsautomatismus“: nach Vorstellung der JVP, und etwas ähnliches fordert die FPÖ sicher schon länger, soll, wenn ein Volksbegehren von mehr als 10% der Wahlberechtigten unterstützt wird, eine  verpflichtende Volksabstimmung stattfinden, die, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten daran teilgenommen hat und die Mehrheit für das Anliegen stimmt, als verbindlich anzusehen ist.

ÖVP-Chef Spindelegger zeigt nun plötzlich für ihn ungewohnten Eifer und will über das schwarze Demokratiepaket noch vor der nächsten Wahl abstimmen lassen. Dabei ist die geplante Maßnahme nicht unbedingt für einen Schuss aus der Hüfte geeignet. Denn über den geplanten Automatismus sollte man vorher diskutieren, und ihn dann gegebenenfalls in Verfassungsreformpaket, wie es der leider gescheiterte Österreich- Konvent einbetten.

Ich halte den „Abstimmungsautomatismus“, so wie jetzt vorgesehen, jedenfalls für problematisch. So sieht das Konzept vor, dass jede Materie vor einer Volksabstimmung dahin geprüft werden sollte, ob sie verfassungskonform sei. Das beugt einerseits populistischen Volksbegehren Marke FPÖ a la „Österreich Zuerst“ vor, und das ist gut so. Aber was ist etwa mit Abstimmungen, die völkerrechtlichen Verpflichtungen widersprechen würden, aber nicht eindeutig „gegen die Verfassung“ gerichtet sind? Ein Beispiel liefert Spindelegger gleich mit: er will die „Schuldenbremse“ noch schnell zuvor in der Verfassung verankern, damit das Volk später nicht mehr dagegen stimmen darf.

Überhaupt sehe ich Volksabstimmungen mit ein wenig Skepsis. In meiner Idealvorstellung sollte eine Partei eine Vision davon haben, wie das Land und seine Gesellschaft idealerweise aussehen sollte, und sie sollte einen Plan haben, wie man dieses Ziel erreichen könnte. Dabei kann es durchaus passieren, dass man Maßnahmen treffen muss, die von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden, weil sie unbeliebt oder schmerzhaft sind, aber mittel-, oder langfristig doch gut für den Großteil eben jener Bevölkerung sind.

Als Beispiel möchte ich die Citymaut in London heranziehen: diese wurde anfangs von der dortigen Bevölkerung abgelehnt, hat aber ihren Zweck erfüllt: die Verkehrsbelastung ist gesunken, und im Jahr 2003 haben die Londoner sogar einer Erhöhung zugestimmt. Derzeit laufen in Wien gerade FPÖ und ÖVP gerade Sturm gegen die von der rot-grünen Stadtregierung geplante Erweiterung der Parkpickerl – Zonen – und versuchen dagegen ein Volksbegehren zu initiieren. Was für autofahrende BewohnerInnen der betreffenden Bezirke zunächst schmerzhaft erscheint, könnte sich in einiger Zeit als richtige Maßnahme erweisen.

Volksbegehren können nur schwer einen solch „größeren Zusammenhang“ berücksichtigen, und können nur Momentaufnahmen berücksichtigen.

Nun ist auch mir bewusst, dass derzeit keine Partei an der Macht ist, der man zutrauen würde, eine „Vision“ für Österreich oder Europa zu haben oder zumindest in der Lage ist, diesen durchzusetzen. PolitikerInnen denken leider fast ausnahmslos nur mehr bis zur nächsten Wahl, da scheint der Abstimmungsautomatismus ein Ausweg aus der Krise zu sein. Doch ist er nicht vielleicht nicht doch nur eine Notlösung, weil wir die Hoffnung langsam aufgeben, dass weitsichtigere und verantwortungsvollere PolitikerInnen am Horizont erscheinen?

Wäre es nicht sinnvoller, einerseits die Hürden für neue Parteien zu senken, bestehende Parteien zu öffnen und etwa soziale Bewegungen, NGOs und Initiativen aktiver in die Politik einzubinden und diese ernster zu nehmen als bisher?

Über automatische Volksabstimmungen soll und muss diskutiert werden, aber in keinem Fall als alleinige oder wichtigste Maßnahme, sondern im Zusammenhang mit einer umfassenderen Reform des politischen Systems in Österreich.

Apr 162012
 

Sicher, als Agnostiker und gleichzeitig Kritiker aller, insbesondere aber der christlich-katholischen Kirche, fällt es mir sicher nicht schwer, diese Zeile zu schreiben.

Aber gerade deshalb könnte meine Außensicht ja den einen oder anderen Gläubigen, der sich noch immer in den Fängen der Amtskirche befindet, zum Nachdenken anregen.
Mir sind nämlich die Vorgänge, die sich in dieser Kirche – gemeint sind die offiziellen Repräsentanten genauso wie das sogenannte Kirchenvolk – abspielen immer unbegreiflicher.

Auf der einen Seite steht da die sogenannte „Amtskirche“. Dort ist Doppelmoral seit vielen Jahrhunderten evident: während auf der einen Seite Nächstenliebe gepredigt, Sex von der Ehe missbilligt, der Zölibat hochgehalten und das Kondom verteufelt wird, wird sie seit dem  Fall Groër immer wieder durch Fälle von sexuellem oder anderen Arten von Missbrauch erschüttert. Im Jahr 2010 befürchete die römisch-katholische Kirche bis zu 80.000 Austritte aufgrund der in diesem Jahr bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in Heimen der Kirche in den letzten Jahrzehnten.

Aktuell sorgt der Fall in Stützenhofen für Unruhe unter dem Kirchenvolk: der dortige Pfarrer wollte einen mit großer Mehrheit gewählten, bekennenden schwulen Kirchengemeinderat nicht anerkennen. Nun will er die Gemeinde abgeben, weil die Diözese Wien die Wahl anerkannt hat – und gleichzeitig meldet sich eine Frau, die angibt, mit eben diesem Pfarrer, der von Moral spricht, eine Beziehung gehabt zu haben – was eindeutig gegen das Zölibat verstößt.

Auf der anderen stehen Menschen und Bewegungen wie die  „Plattform  Wir sind Kirche“ oder die „Pfarrer Initative“, die seit Jahren krampfhaft versuchen, die Kirche von innen heraus zu ändern. Helmut Schüller, Initiator der Initiative der Pfarrer, wurde vom Falter sogar zum „Mensch des Jahres 2011“ gekürt. Auch wenn all diese Iniativen Dinge fordern, die wohl jeder aufgeschlossene, in der heutigen Welt lebende Gläubige unterstützen muss (mehr Mitsprache für Gemeindemitglieder, weibliche Priester etc) so ist es dennoch ein Kampf gegen Windmühlen

Die katholische Kirche ist eine der letzten absolut regierten Monarchien der Welt, beherrscht von einem Zirkel alter Männer im Vatikan. Da dieser seine Macht erhalten will, wird dieser Zirkel nie zu weitreichenden Reformen bereit sein.

Die logische Konsequenz all dieser Reformwilligen müsste eigentlich die Abspaltung von der katholischen und die Gründung einer eigenen Kirche sein. Warum ist das noch nicht passiert? Mit Glauben kann es nichts zu tun haben, denn Glaube und Kirche, dass sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Jesus, so er jemals existiert haben sollte, mit dieser Kirche, die einzig zum Zweck der Machtausübung auf Menschen durch andere Menschen gedient hat und noch immer dient, mit dieser Kirche nicht anzufangen gewusst hätte.

Zu  Abschluss sei noch darauf hingewiesen, dass man das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien am Bezirksamt noch unterstützen kann. Hat sich eigentlich jemand überlegt, wie es sein kann, dass der Staat nach wie vor eine Institution mitfinanziert, die Frauen und Minderheiten wie Schwule und Lesben diskriminiert – und dagegen gibt es mittlerweile eigentlich sogar ein Bundesgesetz!

Sep 292011
 

Nach zähem Ringen um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Korruptionsvorfällen der letzten Jahre, insbesondere in der „Ära“ schwarz-blau-orange zeichnet sich jetzt offenbar doch eine Lösung ab: die SPÖ stimmt angeblich zu, dass im Ausschuss auch  die „Inseratenaffäre“ um die ÖBB und dem damaligen Verkehrsmininister Faymann behandelt werden soll.

Ein solcher U- Ausschuss wäre das erste, kleine Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens der BürgerInnen in die Politikerkaste, denn laut einer Umfrage halten mittlerweile 75% der Bevölkerung „die Politiker“ für korrupt. Freilich müsste man sich in einem U- Ausschuss sachlich und so gut wie ohne Polemik die Fälle diskutieren. Das das gelingt, ist bei den handelnden Akteuren aller Parteien schwer vorstellbar – aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Es wären aber noch viele weitere, eben so wichtige Schritte notwendig: die Politik muss auch der Justiz die notwendigen personellen und finanziellen Mittel geben, damit diese die Fälle restlos aufgeklärt werden, es muss ein scharfes Anti – Korruptionsgesetz her (das erst dann gut ist, wenn ihm alle Parteien nur zähneknirschend zustimmen), und Transparenz muss durch ein Lobbyisten – Register sowie einer gesetzlichen Verpflichtung aller Parteien, ihre Finanzen restlos offenzulegen, endlich erreicht werden.

Das wären einige unter vielen anderen Maßnahmen, die das Vertrauen in die Politik langfristig wiederherstellen könnten. Leider werden bisher Forderungen und neue politische Ideen wie diese bisher nur von engagierten BürgerInnen oder Ex- PolitikerInnen, wie beim Volksbegehren Bildungsinitative oder dem Demokratiebegehren – transportiert. Weil die Politik offenbar Ihren Gestaltungswillen verloren hat und nur noch den Status quo verwaltet. Aber leider liegt die Umsetzung solcher Themen nach wie vor beim Parlament und der Regierung – weshalb beide aufgefordert sind, endlich zu agieren!

Zum Abschluss noch diese Schlagzeile aus dem Standard:Untersuchungsausschuss als Minderheitenrecht noch vor Sommer – von wann diese Schlagzeile stammt? Aus dem Frühjahr. Aber nicht aus diesem sondern aus dem Jahr 2010.  Was aus diesem Versprechen der SPÖ/ÖVP – Regierung geworden ist, wissen wir heute: es wurde gebrochen! Zeit für die Opposition, es jetzt nochmals LAUTSTARK einzufordern!